Die Flüchtlingskrise - biblische, theologische und praktische Denkanstöße
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Bibelstudium
2017-12-21
2015-12-08
Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter
Lukasevangelium
10,29-37
Und siehe, da stand
ein Schriftgelehrter auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun,
dass ich das ewige Leben ererbe? (Frage
1)
Er
aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? (Antwort 2)
Er
antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem
Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen
Nächsten wie dich selbst« (5.Mose 6,5; 3.Mose 19,18). (Antwort auf die 2. Frage)
Er
aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben. (Antwort auf die 1.
Frage)
Er
aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein
Nächster?
(Frage 3)
Da
antwortete Jesus und sprach: (Frage 4, Gleichnis)
Es
war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die
Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen
ihn halb tot liegen. Es traf sich aber, dass
ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. Desgleichen auch ein Levit: Als er zu der Stelle
kam und ihn sah, ging er vorüber. Ein Samariter
aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte er ihn; und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine
Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine
Herberge und pflegte ihn. Am nächsten Tag zog
er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und
wenn du mehr ausgibst, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme.
Wer
von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste gewesen dem, der unter die Räuber
gefallen war? Er
sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. (Antwort auf die 4. Frage)
Kontext
Wenn
man das Gleichnis vom barmherzigen Samariter analysiert, darf man nicht seinen
Platz im Kontext einer weiteren theologischen Diskussion vergessen. Weil der
Dialog kurz und das Gleichnis verhältnismäßig lang ist, wird der Kontekst des
Dialoges oft ignoriert. Dies bewirkt, dass das Gleichnis auf eine Ermutigung zu
einer bestimmten ethnischen Tat reduziert wird. Der Dialog besteht aus zwei
Teilen, die jeweils zwei Fragen und zwei Antworten enthalten. Dabei ist das Gleichnis ein Teil der
Antworten.
Teil
1
- Der Schriftgelehrte, Frage 1
Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben
ererbe?
- Jesus, Frage 2
Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest
du?
- Der Schriftgelehrte, Antwort auf Frage 2
»Du sollst den Herrn,
deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und
von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst«
- Jesus, Antwort auf Frage 1
Tu das, so wirst du leben.
Teil 2
- Der Schriftgelehrte, Frage 3
Wer ist denn mein Nächster?
- Jesus, Frage 4
(nach der Antwort durch das Gleichnis)
Wer in diesem Gleichnis ist der Nächste?
- Der Schriftgelehrte, Antwort 4
Der
die Barmherzigkeit an ihm tat.
- Jesus, Antwort auf Frage 3
So geh hin und tu desgleichen!
Der
Schriftgelehrte stand- als üblicher sichtbarer Ausdruck der Wertschätzung
gegenüber dem Lehrer. Er wandte sich an Jesus mit dem Wort Lehrer (Rabbi). Das
bedeutet, dass er Jesus als einen ihm Gleichen betrachtete, als einen
Gelehrten, einen Lehrer.
Der
Schriftgelehrte möchte Jesus testen. Aber aus dem Text geht nicht klar hervor,
auf was dieser Test berühren könnte.
Am
wahrscheinlichsten ist, dass der Schriftgelehrte eine typische jüdische
Erläuterung zur Erfüllung der Forderungen des Gesetzes erwartete mit dem Ziel,
das ewige Leben zu erlangen.
In
der jüdischen Tradition existierten zwei Möglichkeiten:
- Es wurde gesagt, dass die Erlangung des ewigen Lebens ein Geschenk ist, das man sich nicht verdienen kann.
- Es wurde in Übereinstimmung mit der rabbinischen Tradition die Erfüllung des Gesetzes betont (was auch Jesus tat).
Der Zusammenfassung des Gesetzes durch den
Schriftgelehrten liegen zwei Texte aus 5. Mose 6, 5 sowie 3. Mose 19, 18
zugrunde. An anderen Stellen fast Jesus selbst das Gesetz auf diese Weise
zusammen (Matthäus 19,16-22; Markus 10,17-22;
Lukas 18,18-23). Die Verbindung dieser beiden Texte, als Zusammenfassung, wurde
schon früher im Judaismus geschaffen. Das Gebot der Liebe und Barmherzigkeit
besitzt einen zentralen Platz im Judaismus.
Der
Schriftgelehrte möchte konkret wissen, wer sein Nächster ist. Jesus erzählt ihm
als Antwort ein Gleichnis. Er möchte ihn zum selbstständigen Nachdenken über
diese Frage bringen und dazu, sich selbst darauf die Antwort zu geben.
Historischer
Kontext
Alle
israelitischen Priester waren in 24 Gruppen eingeteilt. Jede von ihnen musste
zwei Wochen im Jahr im Heiligtum dienen (siehe 2. Chronik 24,1-19; Lukas 1,8).
Um die Hälfte der Priester lebte damals in Jericho.
Die
Samariter wurden von den Juden gehasst. Nach der Vertreibung des Nordreichs
Israels, siedelten die Assyrier Menschen aus anderen Regionen in Israel, mit der Anweisung,
dem israelitischen Gott zu dienen. Die Samariter akzeptierten nur das
Pentateuch. Ihr heiliger Ort war der Berg Gerizim. Die Samariter wurden mit den
Philistern verglichen (siehe Jesus Sirach 50,25-26). Einige Rabbiner
behaupteten, dass das Essen von Brot, das von Samaritern stammte, mit dem Essen
von Schweinefleisch gleichzusetzen sei. Aber natürlich waren nicht alle so
extrem. Es existierten Handelsbeziehungen zwischen Juden und Samaritern.
Die
Bedeutung des Gleichnisses
Das
Gleichnis fungierte als Erklärungmodell des biblischen Textes. Und zwar als
Gebot, den Nächsten wie sich selbst zu lieben (3. Mose 19,18). Die Erklärung
eines Textes aus der Thora (dem Gesetz) mithilfe eines Gleichnisses war eine
normale Praxis in der rabbinischen Tradition.
Das
gesamte Gleichnis hat sieben Strophen, so wie es in der Unterteilung des Textes
zu Anfang des Artikels aufgezeigt wird. Die ersten drei werden durch eine Folge
charakterisiert: kommen, tun, verlassen. Die Räuber kommen, rauben, schlagen
und entfliehen.
Der
Priester kam, sah, wich aus und ging weiter, ebenso der Levit. Durch den
Samariter wird die Folge durchbrochen: er kam, sah, aber wich nicht aus,
sondern begann zu handeln.
Szene
1
Der
Weg von Jerusalem nach Jericho (ungefähr 30 km), ist ein steiler Weg, der durch
Steinwüste führt (Jerusalem liegt auf einer Höhe von 820 m über dem
Meeresspiegel, Jericho auf einer Höhe von 240 m ü.d.M.). Dieser Weg war bekannt
als gefährlich, Reisende wurden dort oft überfallen.
Dort
entlang ging jemand, der von Räubern überfallen wurde. Wir finden keine
weiteren Informationen über den Geschädigten. Man nimmt an, dass er ein Jude
ist, aber es gibt keine hundertprozentige Sicherheit.
Im
Nahen Osten lebten und leben verschiedene ethnische und religiöse Gruppen.
Wesentlich für sie ist die Unterschiedlichkeit, die Abgrenzung von anderen
Gruppen. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe wird an der Sprache bzw.
der Kleidung erkannt. Dem Reisenden wurde alles geraubt, sogar die Kleidung und
dazu wurde er empfindlich geschlagen. Er ist bewusstlos, halbtot. In diesem
Zusammenhang ist das Erkennen seiner Zugehörigkeit zu irgendeiner Gruppe
faktisch unmöglich. Kleidung besitzt er nicht mehr und im Blick auf seinen
kritischen Zustand ist ihm das Reden unmöglich. Dieser Mensch hat seine
Identität verloren. Als später der Priester, der Levit und der Samariter
vorbeikommen, sind sie nicht imstande, ihn zu identifizieren und
herauszufinden, ob der Geschädigte Jude ist.
Szene
2- Der Priester
Aus
dem griechischen Text geht nicht hervor, ob der Priester zu Fuß ging oder ritt,
aber man kann davon ausgehen, dass er auf einem Tier ritt.
Die
Priester gehörten zur höchsten Schicht der Gesellschaft, zur Elite, und kein Priester
hätte diesen Weg zu Fuß zurückgelegt. Nur die Armen liefen durch die Wüste.
Der
Priester half nicht, wich aus und ging weiter. Dieses Verhalten hielt
möglicherweise der Großteil der Zuhörer für richtig.
Der
Priester war ein Gefangener seines eigenen Rechtssystemes. Um die Art des
Denkens der Priester zu verstehen, kann man das Buch der Weisheit Jesus Sirach
12,1-7 lesen, wo u.a. Geschrieben steht: Gib dem Guten, nicht aber dem
Bösen, unterstütze den Demütigen, gib nicht dem Hochmütigen! (Vers 4). Dieses
deuterokanonische Buch findet sich nicht in der Bibel, aber trotzdem spielte es
eine wichtige Rolle für die frommen Juden des 1. Jahrhunderts n.Chr. und war
wichtig für die Bildung theologischer Gedanken. Einem Sünder zu helfen wäre
demnach als eine Tat gegen Gott verstanden worden und der Unterschied zwischen
Sündern und Fremden war im Denken der Priester fast nicht mehr vorhanden. Dazu
kam, dass Unglück, das einen Menschen traf, oft als Strafe Gottes angesehen
wurde (siehe z.B. Lukas 13,1-4). Also hätte es eine Tat gegen den göttlichen
Willen bedeutet, einem solchen Menschen zu helfen.
Ein
anderes Problem war die rituelle Unreinigkeit. Wenn der Priester einen toten
Körper berührt hätte, wäre er sieben Tage rituell unrein gewesen (4. Mose
19,11-22). Dem Priester war es sogar verboten, Kontakt mit einem toten Körper
zu haben (3. Mose 21,1-4; 22,4-7). Nicht nur das Berühren des Körpers, sondern
sogar das Berühren eines Gegenstandes, der mit einer Leiche in Berührung
gekommen ist oder sogar der Schatten, der auf eine Leiche fällt, könnte den
Priester unrein machen. Nach der rabbinischen Lehre ist die Einhaltung einer
Entfernung von mindestens 4 Ellen (ca.
2,20 m) zu einer Leiche erforderlich.
Unreinigkeit
bedeutete für einen Priester auch das Verbot, sich seiner Familie zu nähern und
Brot im Tempel zu essen. Abgesehen davon wäre es eine Schande an seinem
Wohnort, wenn er unrein vom Tempeldienst zurückkommen würde.
Der
Priester, der des Weges kam und den bewusstlosen Menschen liegen sah, war nicht
im Stande einzuschätzen, ob er noch lebte oder nicht. Um den Zustand des dort
Liegenden zu begutachten, hätte er sich nähern müssen. Aber wenn sich gezeigt
hätte, dass der Geschädigte nicht mehr lebt, wäre der Prieser unrein geworden.
Deshalb meidet er den Liegenden und hält sich in sicherer Entfernung von ihm.
Viele der frommen Juden, die Jesus zuhörten, hätten dieses Verhalten gelobt und
als richtig eingeschätzt.
Auf
der anderen Seite existierten aber auch andere Gebote, z.B. die Anordnung, die
verlassene Leiche eines Menschen zu begraben. Am wichtigsten für einen frommen
Juden war der Grundsatz, ein Menschenleben immer zu retten und um das zu tun,
war es in der Praxis möglich, alle Gebote zu brechen.
Wir
wissen nicht, ob der Priester und der Levit urteilten, dass der dort liegende
Mensch tot oder schwer verwundet ist. In beiden Fälle existierte allerdings die
Verpflichtung, außerhalb der Reinheitsgebote, einen Körper zu begraben bzw. ein
menschliches Leben zu retten und zu helfen.
Es
zeigte sich, dass sowohl für den Priester als auch den Leviten die rituelle
Reinheit wichtiger war. Der Priester zeigte sich als Gefangener des
beherrschenden rabbinischen Rechtssystemes (des Systemes von Geboten und
Verboten).
Szene
3- der Levit
Möglicherweise
sah der Levit, dass vor ihm der Priester ritt. Der Weg ging nämlich steil nach
unten. Deshalb war es absolut möglich zu sehen, wer sich darauf befindet.
Anders als der Priester, geht der Levit tatsächlich näher an den Verwundeten
heran. Wir wissen eigentlich nicht, warum er ihm nicht half. Leviten unterlagen
nicht so strengen Reinheitsgeboten wie die Priester, doch er half auch nicht.
Szene
4- der Samariter
Nach
dem Priester und dem Leviten kam an dem Liegenden ein gewöhnlicher Mensch
vorbei. Die jüdischen Zuhörer erwarteten selbstverständlich, dass jetzt in der
Geschichte ein Jude folgt. Die Reihenfolge Priester, Levit, Jude tauchte oft in
den rabbinischen Abhandlungen und Erzählungen auf. Es muss ein Schock für die
Zuhörer gewesen sein, dass der, der zu dem Liegenden kommt, einer der
verhassten Samariter ist. Samariter wurden als Heretiker gesehen und standen
für viele Juden unter den Heiden.
Der
jüdische Kommentar zur Thora (dem Gesetz) -Mischna- besagt, dass der,
welcher Brot von Samaritern isst gleich dem ist, der Schweinefleisch ist-etwas
besonders Verabscheuenswürdiges für fromme Juden. Samariter wurden zu dieser
Zeit sogar öffentlich während des Gottesdienstes in der Synagoge verflucht.
Das
Gleichnis Jesu, in welchem der verhasste Samariter sich hilfsbereit und barmherzig
zeigt, war sehr mutig. Die Zuhörer könnten ihren Widerstand und ihre
Unzufriedenheit sogar in aggressiver Weise zeigen.
Der
Priester machte einen Bogen, der Levit näherte sich, ging dann aber weiter,
aber der Samariter ging zu dem Verwundeten und half ihm wirklich. Das
griechische Wort splanchnizomai, das
man mit „Mitleid haben, sich erbarmen” übersetzen kann, ist im Griechischen ein
sehr starker Ausdruck. Wären die Räuber noch in der Nähe gewesen, hätten sie
den Samariter auch überfallen können. Doch er leistet ohne Zögern Erste Hilfe.
Er verbindet ihm die Wunden und begießt sie mit Öl und Wein- die Reihenfolge
ist ziemlich ungewöhnlich. Wein und Öl wurden damals zur Wunddesinfektion und
-heilung benutzt.
Wir
finden hier ein Echo des Alten Testamentes, wo über Gott gesagt wird, dass Er
sich auf diese Weise um Sein Volk sorgt: Denn ich will dir Genesung bringen und dich von deinen Wunden heilen, spricht
der HERR...(Jeremia 30, 17). Auch beim Propheten Hosea lesen wir über Gott,
der unsere Wunden heilt und verbindet (Hosea 6,1-10, siehe auch Micha 6,7-8).
Danach
trägt der Samariter den Verletzten zu seinem Tier. Aus dem Text geht nicht
hervor, ob der Samariter zusammen mit ihm auf dem Tier saß oder nur der
Verletzte, und er führte. Das wäre eine große Erniedrigung in der Kultur des
Nahen Ostens.
Dass
er ein Reittier besaß und Öl und Wein mit sich führte, weißt darauf hin, dass
er möglicherweise ein Kaufmann war.
Danach
blieb er die ganze Nacht mit dem Verwundeten im Gasthaus. Auch das bedeutet Aufopferung.
Außerdem war es gefährlich. Samariter waren verhasst, Rachegelüste waren sehr
aktuell.
Ein
Samariter, der mit einem verwundeten Juden in eine jüdische Stadt kommt, ist in
einer ähnlich gefährlichen Situation wie ein Indianer, der mit einem skalpierten
Cowboy in einen Ort kommt. Trotz seiner Haltung, dem Verwundeten helfen zu
wollen, wird er als Feind betrachtet.
Am
darauffolgenden Tag gab der Samariter zwei Denare, ausreichend für einen
zweiwöchigen Aufenthalt im Gasthaus. Der Verwundete besaß nichts mehr. Für die
unbezahlte Rechnung im Gasthaus könnte er eingesperrt werden. Wenn ein Jude für
ihn bezahlt hätte, hätte er damit rechnen können, irgendwann sein Geld
zurückzubekommen. Aber der Samariter, der sich in einem fremden und feindlichen
Land befand, konnte nicht mit der Rückzahlung der Schuld rechnen.
Der
Samariter tat genau des Gegenteil der Räuber. Die Räuber bestahlen den
Menschen, während der Samariter für ihn bezahlte. Die Räuber ließen ihn halbtot
liegen, während sich der Samariter um ihn kümmerte. Die Räuber flohen, während
der Samariter versprach, zurückzukehren.
Frage
Die
abschließende Frage ist nicht, wie man sich gegen Samariter verhalten soll,
sondern gegen Fremde, sogar Feinde. Die Frage ist, wer tatsächlich der Nächste
des überfallenen Juden war.
Für
den Priester und den Leviten war die Einhaltung der rituellen Reinheit am
wichtigsten, deshalb kann man sie nicht die Nächsten des verletzten Menschen
nennen. Der Nächste war der, der den bedürftigen Menschen auf seinem Weg wahrnahm
und helfend reagierte.
Die
ursprüngliche Frage (Vers 25) war, wer das ewige Leben erhält. Die Antwort
lautet, dass die, die in Israel sind (Priester, Leviten) und urteilen, dass sie
Gottes Kinder sind, eigentlich draußen sind, außerhalb; doch dass die, die
draußen sind (Samariter), ewiges Leben erlangen. Gottes Volk ist viel mehr als
nur Israel. Und außerdem entscheidet nicht die Geburt, sondern das
Glaubensleben über den Empfang des ewigen Lebens.
Der
weitere Kontext
Wie
fungierte das Gleichnis im gesamten Dialog zwischen Jesus und dem
Schriftgelehrten? Der Schriftgelehrte fragte: Wer ist mein Nächster?
Darauf antwortet Jesus mit einem Gleichnis und fragt danach, wer der Nächste
für den Verwundeten war. Der Schriftgelehrte ist jetzt genötigt, selbst auf
seine Frage zu antworten.
Er
erwartete von Jesus irgendeine eingrenzende Katagorie Nächster, aber er bekam
eine Antwort, die alle Gedanken, in eingrenzenden Kategorien zu denken,
zerstörte. Der Schriftgelehrte will seine Verantwortung in der Nächstenliebe
eingrenzen. Er möchte wissen, wer zu der Kategorie Menschen gehört, die er
lieben soll und wer nicht. Das ist das typische Denken der Pharisäer, die die
ganze Welt und das Leben in Kategorien einteilten, was erlaubt ist und was
nicht, usw.
Doch
Jesus löst alle Begrenzungen auf. Die Frage „Wer ist mein Nächster?” ist
eigentlich keine Frage, denn es ist unmöglich, dass jemand nicht mein Nächster
sein kann. Es gibt keinen Menschen, der nicht dein Nächster sein kann. Anders
gesagt: man muss alle Menschen lieben. Die Liebe definiert nicht den Nächsten,
sondern entdeckt ihn in der konkreten Situation. Jesus verändert die Frage nach
dem Nächsten; die Frage ist nicht, wer mein Nächster ist, sondern die konkrete
Frage muss heißen: Für wen soll ich der Nächste sein? Jesus sagt:
So sollst Du Dich verhalten, wobei der Ausdruck du im
Griechischen stark hervorgehoben ist.
Bedeutung
und Ziel
Der
Schriftgelehrte muss verstehen, dass er für jeden zum Nächsten werden soll, der
Hilfe benötigt. Die Erfüllung des Gesetzes Gottes bedeutet, dass ich alle
Menschen lieben soll, sogar meine Feinde.
Vielleicht
stellt sich die Frage, wie auf diese Weise überhaupt jemand errettet werden
kann. Fakt ist, dass, selbst wenn wir unser Bestes geben, wir nicht in der Lage
sind, durch unsere Werke (unsere Taten) ewiges Leben zu erhalten. Wir können
uns selbst nicht rechtfertigen. Niemand kann sagen, dass er alles ausreichend
getan hätte. Gottes Anspruch, der Anspruch des Gesetzes, ist zu hoch.
Wir
erhalten ewiges Leben aus Gnade, durch den Glauben. Glaube ist immer aktiv und
tätig. Glaube ohne Werke ist tot- ein Thema, dass im Neuen Testament immer
wiederkehrt.
Gott
zu lieben, ohne seinen Nächsten zu lieben, ist unmöglich. Liebe ist nicht nur
ein Gefühl, sondern bedeutet auch Tun, oft unter Risiko und Gefahr. Jesus
erklärt, dass es darum geht, zu lieben. Und auf diese Weise sollen wir das
Gesetz wahrnehmen.
Sich
an ein Gesetzesbuch zu halten mit genauen Listen, wie man sich verhalten soll,
Listen, die besagen, wer der Nächste ist und wer nicht, so wie die der Rabbiner
und Pharisäer, ist wirkungslos. Das ist nicht das, was Gott von uns erwartet.
Die
Antwort Jesu ist beschämend. Die Priester und Leviten und alle frommen Juden
rezitieren zweimal täglich das sogenannte Shema, das grundlegende
Glaubensbekenntis Israels. Obwohl es von der Liebe zu Gott und dem Nächsten
spricht, verstanden sie es nicht. Der Samariter, den die Juden als Heretiker
ansahen, zeigt in der Praxis, was das bedeutet. Und zeigt damit, dass er das
Gesetz Moses besser kennt und weiß, wie man sich um Fremde und Bedürftige
kümmert (3. Mose 19,34). Das war für die Juden ungewöhnlich peinlich. Wie hatte
sich der Schriftgelehrte also wagen können, nach der Definition des Nächsten zu
fragen? Das Gleichnis Jesu ist bei dieser Gelegenheit auch eine scharfe Attake
auf die gemeinsamen Vorurteile und den Rassismus.
Anwendung
Die
Anwendung kann man einfach in einem kurzen Satz zusammenfassen: Gehe und tue
also! Wir müssen ernst nehmen, was Jesus lehrte und das bedeutet praktisches Leben
im Glauben.
Wir
leben in einer Welt, die nicht frei ist von Problemen, Leiden, bedürftigen
Menschen. Dieses Gleichnis erlaubt uns nicht, die Augen vor dem zu schließen,
was in unserer Nähe passiert, und weiterzuleben. Jeder Bedürftige, den ich auf
meinem Weg treffe, ist mein Nächster. Oder anders: ich bin der Nächste für
jeden Bedürftigen auf meinem Weg. Das Gleichnis enthält keine genauen Hinweise
darauf, auf welche Weise ich helfen soll. Das Neue Testament ist keine genaue
Anleitung, die unsere Taten detalliert festlegt. Das ist das, was die Rabbiner
und Pharisäer in extremer Weise mit dem Gesetz taten. Ihr System versuchte in
genauer Weise das Verhalten und Fehlverhalten in jedem, sogar dem kleinsten
Detail des Lebens, zu bestimmen. Das Ergebnis war ein legalistisches System von
Geboten und Verboten, das aus den Menschen Gefangene machte. Viele Christen
heute sind auch nicht vollkommen frei von ähnlichen Systemen in niedrigerem
oder höherem Maße. Das System von Geboten und Verboten erscheint einfach, weil
es das Verhalten genau beschreibt. Die Verantwortung wird damit auf das System
geschoben.
Die
Bibel aber ist nicht ein solches System. Die Bibel, das Evangelium, ist konfrontierend.
Das Evangelium sagt mir nicht, wie ich mich verhalten soll, sondern wie ich
sein soll. Ich soll gerettet sein. Das heißt ein befreiter, freier, aus dem
Glauben lebender Mensch, aus welchem die guten Taten fließen.
2015-11-23
Vor der Reformation in Polen
Anfänge des Christentums in Polen, Teil 4
Krise und Spannungen
Während das 13. Jahrhundert eine Zeit der Blüte und Entwicklung der
Kirche war, wurden das 14. und 15. Jahrhundert, sowohl politisch als auch
geistlich, zu einer Krisenzeit. Es folgte ein gewaltiger Machtkampf, infolge
dessen gleichzeitig zwei Päpste regierten (in Avignon und in Rom in den Jahren
1378-1417). Das Konzil von Konstanz beendete diese Zeit, aber die Spannungen
und die Kritik an der Regierung des Papstes legten sich nicht.
Es entwickelte sich der sogenannte Konziliarismus- eine Bewegung,
die Reformen innerhalb der Kirche anstrebte, basierend auf den Festlegungen der
Konzile von Pilzen (1409), Konstanz (1414-1416) und Basel (1413-1419), welche
die Macht des Papstes begrenzten. Der
Konziliarismus sah die Kirche als einen mystischen Körper und achtete
darauf, dass der höchste Herrscher der Kirche nicht der Papst, sondern das
allgemeine Konzil war. Sie verwarf das theokratisch-monarchistische Modell der
päpstlichen Regierung der Kirche. In Polen besaß der Konziliarismus eine große
Zahl von Anhängern. Besonders wurde er von der Akademie in Krakau und dem Adel
propagiert, genau so wie von vielen Theologen, vor allen Dingen in den Orden,
wie z.B. Jakub von Paradyż, Jakub Kanty
und Zbigniew Oleśnicki.
Diese Strömung,nahe am zukünftigen Demokratismus, war auch für den
Adel attraktiv. Dies war u.a. der Grund, warum sich der Adel trotz seines
Antiklerikalismus nicht den Husitten anschloß. Mitte des 15. Jahrhunderts
allerdings gewann der Papst die Auseinandersetzung und wurde ab diesem Moment
zur höchsten Autorität.
Dies ist der Zeitraum, in welchem die reformierten Orden wie die
Franziskaner und die Dominikaner auch in Polen aufblühten. Von den
Franziskanern stammte die Splittergruppe der sogenannten Bernhardiner, die für
viele, besonders für die, die die christliche Berufung ernst nahmen, attraktiv
war.
In Polen nahmen die Spannungen zwischen dem Adel und dem Klerus zu.
Die Kirche wünschte sich eine entscheidende Rolle in der Regierungspolitik zu
spielen. Sie wollte selbst über die Frage der Bischofsnachfolge entscheiden,
ohne Beteiligung des Königs (der König war oft in der Lage, seine Kanditaten
wirksam durchzusetzen). Die materiell-finanziellen und national-politischen
Kircheninteressen vermischten sich immer mehr, wie es in den Annales seu cronicae incliti Regni Poloniae (so
ist der volle Name) von Jan Długosz deutlich wird, der anerkannte, dass die
Interessen der Regierung auch die Interessen der Kirche sind.
Die Kirche bereicherte sich übermäßig. Besonders die Bistümer
Krakau und Gnesen verfügten über große Besitztümer sowie hunderte von Dörfern
und Kleinstädten.
Der Gnesener Erzbischof-Primas war der erste Mann in der Kirche und
der zweite in der Regierung, gleich nach dem König. Im 15. Jahrhundert war der
Primas nach dem Tod des Kaisers bis zur Krönung eines Nachfolgers sein
Stellvertreter und besaß das Recht zur Einberufung von Kongresswahlen. Der
Erzbischof-Primas hatte auch das Recht, den König zu krönen. In der Praxis war
der Krakauer Erzbischof genauso wichtig wie der Gnesener. Ein beträchtlicher
Teil der königlichen Ratsmitglieder bestand aus den Bischöfen und dem Klerus
der Kirche, was der Kirche einen großen Einfluß auf politische Dinge
garantierte. Der König kümmerte sich auch um seine Interessen und kontrollierte
faktisch die Wahl der neuen Bischöfe. In Europa nomminierte normalerweise der
Papst den nächsten Bischof und es war schwer, sich seiner Wahl
entgegenzustellen. Doch in Polen zwang der König ihm oft seinen Willen auf.
Außerdem existierte seit der Zeit des Königs Kazimierz des Großen der Brauch,
dass der König die freie Stelle des Bischofs vertrat, bis ein neuer feststand.
Für den hohen Klerus wurde es immer wichtiger, Karriere zu machen,
was ihm großen materiellen Gewinn sowie Führungspositionen eintrug. Dabei wuchs
die Anzahl der Streitigkeiten und der Spannungen zwischen dem Adel und der
Geistlichkeit. Immer mehr Konflikte betrafen Besitzangelegenheiten, die Frage
der Abgabe des Zehnten an die Kirche und dass sie den Kirchengerichten (deren
Urteile durch die Staatsgewalt hätten vollstreckt werden müssen) unterstanden.
Das kanonische Recht spielte eine immer wichtigere Rolle im
gesellschaftlichen Leben. Oft stand es im Widerspruch zum königlichen oder zum
lokalen Gesetz. Z.B. hatte die Regierung nach dem Recht aus dem 13. Jahrhundert
Juden zu schützen, was in dem den Juden erteilen Privileg durch Kazimierz den
Großen bestätigt wurde. Jedoch das kanonische Recht sprach sich (ab 1215) gegen
die Juden aus. Es wurde formal niemals in Polen aufgenommen (Kłoczowski, Titel?
s. 64).
Der Adel verteidigte seine Kolonien gegen den Eingriff des
kanonischen Rechtes. Dies rief viele
Konflikte zwischen Adel und Kirche hervor. Die Rechtsgelehrten der
Kirche verstanden die Situation und passten das Kirchenrecht oft an die lokale
Situation an oder führten einen Kompromiss herbei. Auf diese Weise entstanden
Kirchenrechtsbücher speziell für einzelne Diözesen.
Jährlich erging die Aufforderung der Zahlung des Zehnten an den
Papst auf Grundlage des Einkommens von den Nutznießern der Kirche, berechnet
nach der Größe des Besitzes. Jährlich wurden um die 1000 Geldstrafen eingezogen
(das entspricht ca. 20 Dörfern oder 20 000 Scheffeln Getreide).
Außerdem existierte eine zusätzliche persönliche Kirchenabgabe, der
sogenannte Peterspfennig, zu dem jeder Einwohner des polnischen Landes
verpflichtet war (genau wie in vielen anderen europäischen Ländern). Diese
Abgabe war für den Unterhalt der päpstlichen Behörde bestimmt.Oft löste sie
Streitigkeiten aus und viele hatten keine Lust, sie zu bezahlen. Viele Diözesen
zahlten diese Abgabe nicht und Rom hatte keine Möglichkeit, sie einzuziehen und
gab es deshalb oft auf. Ab dem 14. Jahrhundert führte man die
Pfarreibuchführung ein, wo festgehalten wurde, wer bezahlte und wer nicht.
Trotzdem bezahlte die Mehrheit nicht. So wurden z.B. im Jahr 1340 kaum 40% des
Peterspfennigs eingesammelt. Dazu kam
der Ausbau der Administration und Bürokratie in den Kirchenstrukturen. Die
Geistlichkeit war nicht völlig frei von der Zahlung staatlicher Abgaben. Auch
dies war ein Thema für ständig wiederkehrende Streitigkeiten.
Inquisition
Wie überall in Europa, wirkte auch in Polen die Inquisition zur
„Verteidigung der wahren” orthodoxen Kirchenlehre. Anfänglich lag die
Inquisition in der Verantwortlichkeit der Bischöfe, die verpflichtet waren,
eventuelle Heretiker aufzuspüren und zu verhören. Ab dem Jahr 1231 wurden die
Dominikaner mit der Pflicht über die Verurteilung der Heretiker betraut.
Die Tätigkeit der Inquisition begann in Niederschlesien, auf Bitten
des Breslauer Bischofs Henryk von Wierzysz ?. Es ist dokumentiert, dass am 12.
Juli 1315 in Schweidnitz ca. 50 Waldenser auf dem Scheiterhaufen verbrannt
wurden. Kurz darauf brannten die Scheiterhaufen auch an anderen Orten in
Schlesien. Im Jahr 1318 wurde die Papstbulle über die Inquisition in den
polnischen Ländern formell eingesetzt.
Ihr anfängliches Ziel war die Suche nach verschiedenen Gruppen, wie
den Waldensern und den Geißelbrüdern. Im Vergleich zu anderen Ländern kam es in
Polen zu einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Urteilen. Bei genauerer
Betrachtung ist dies eher darauf zurückzuführen, dass es im Königreich Polen
auch verhältnismäßig wenige „Heretiker” gab. Trotzdem schätzt man, dass in der
ersten Dekade der Inquisition um die 200 Menschen zum Tode verurteilt wurden.
Ab dem 15. Jahrhundert, als sich in Böhmen die Hussiten im Aufwind befanden,
breitete sich die Tätigkeit der Inquisition auf dem Gebiet Polens aus.
Der Charakter der polnischen religiösen Kultur
Im 15. und 16. Jahrhundert drang das Christentums in seiner
westlichen Form in alle Schichten der polnischen Gesellschaft vor und bewirkte
deren Umgestaltung. Ähnlich wie in ganz Europa war auch in Polen dieser
Zeitraum von großem Belang für die Herausbildung einer christlichen „Kultur”.
Dies wird u.a. daran sichtbar, dass zum Ende des 15. Jahrhunderts
fast alle ihren Kindern christliche Namen gaben, nur selten traf man einen
wirklich heidnischen Namen. Und man muss daran erinnern, dass der gegebene Name
bzw. dessen Bedeutung damals viel wichtiger war als heute.
Das heidnische mystische Denken, bestimmte Praktiken und der
Aberglaube verschwanden allerdings nicht. Sie wurden nicht, wie es die Bibel
verkündigt, verworfen, sondern sickerten in das Christentum ein, was man sogar
bis heute beobachten kann. Z.B. existiert eine Art des magischen Denkens wie
das „roten Schleifchen” über dem Kinderwagen, das das Kind vor Unglück bewahren
soll. Man gibt auch nicht gerne die Hand an der Haustürschwelle, damit es kein
Unglück bringt. So leben noch viele andere Aberglauben, die ihre Quelle nicht
im christlichem Glauben, sondern in
der heidnischen Mentaltität haben.
Verschiedene alte heidnische Traditionen verschwanden nicht,
sondern wurden in christlichem Sinne neu interpretiert. So ersetzte z.B.
Weihnachten das heidnische Fest der Winterwendfeier.
Das Abendessen am Heilig Abend hat seine Quelle in dem
slawisch-heidnischen Fest für Wohlstand und Wohlbefinden, das in
vorchristlicher Zeit in Gemeinschaft mit den Seelen der Verstorbenen gefeiert
wurde. Auch andere Feste mischten sich mit heidnischen Traditionen. So enthält
z.B. die Johannisnacht, die noch bis heute in Polen gefeiert wird, heidnische
Elemente des Feuerkultes. Der Jahreskalender, die Reihenfolge der Feste und
Jahreszeiten, die das Leben der Bauern regelten, wurden in Übereinstimmung mit
dem christlichen Glauben interpretiert und verändert. Die kirchlichen Feiertage
waren wichtig für die Bauern, weil es für sie Ruhetage waren, an denen es nicht
erlaubt war, zu arbeiten. Außer den „biblischen” Feiertagen beging man noch
sechs Marienfeiern, die ebenfalls arbeitsfrei waren.
Die Bedeutung Marias
Im 12. Jahrhundert tauchten die ersten Ikonen der Muttergottes mit
dem Jesuskind in Polen auf. Ikonen spielen in der Ostkirche eine sehr wichtige
Rolle. Sie wurden als „Fenster” zum Himmel wahrgenommen, dank derer man realen
Kontakt zur himmlischen Sphäre, zu Gott und den Heiligen, haben kann. Im 14.
Jahrhundert lebte eine beachtliche Minderheit Orthodoxer in den Ostgebieten
Polens, was ohne Zweifel großen Einfluß auf die Entwicklung eines Inkonenkultes
im Land hatte.
Im 14. und 15. Jahrhundert wurden Ikonen für die Leute immer
wichtiger, besonders die der Muttergottes, die sich ab dem 14. Jahrhundert im
Kloster von Jasna Gora befindet.
Die Marienikonen waren wichtige Ziele der Pilger, denn sie
antworteten auf den Bedarf nach einem direkten und nahen Kontakt zur
himmlischen Welt.
Maria wurde immer bedeutender in der Kirchen- und Volksfrömmigkeit.
Die Leute wollten das Leben Jesu sowie das Seiner Mutter bis ins Detail
kennenlernen. Wenn die gesuchten Einzelheiten nicht in den Evangelien zu finden
waren, suchten sie sie in der Tradition und gebrauchten, wenn nötig, ihre
Vorstellungen (Kłoczowski Titel? 79). Werke wie z.B. „Das Leben des Herrn Jesus
Christus”, die detallierte Beschreibungen enthielten, waren im 15. Jahrhundert
sehr beliebt.
Die heilige Familie wurde ein Teil der Volksfrömmigkeit. Sie wurde mit der Dreieinigkeit verknüpft und
vermischt. Aber die andere Seite der heiligen Familie war auch sehr volksnah
und fungierte als ein konkretes Vorbild für das tägliche Leben.
Orden
In diesem Zeitraum wurde der christliche Glaube für eine größere
Gruppe zu einer Sache der Überzeugung. Dies kann auf das Missionswerk der
Franziskaner und Dominikaner zurückgeführt werden. Interessant ist der Fakt,
dass die Bettelorden nicht predigten, mit Strafe und Hölle drohten, sondern vielmehr mit positiven Argumenten versuchten,
die Hörer von einer Lebensänderung zu überzeugen. Sie hatten einen großen
Anteil an der Entwicklung des christlichen Lebens. Sie bestritten die Idee,
dass man nur innerhalb der Klostermauern ein wahres christliches Leben führen
kann.
Schlussfolgerung
Am Anfang wurde das Christentum den Menschen in Polen, oft unter
Zwang, aufgedrängt. Die Kirche fungierte wie ein politisches Institut und auch
wie ein ökonomischer Staat. Für die Mehrheit war der Glaube keine
Herzensüberzeugung, sondern eine äußerliche, gesellschaftliche Sache. Lange überlebten
dadurch viele heidnische Traditionen in irgendeiner Form. Diese Situation
ermöglichte, dass sich der Klerus bereicherte und seine Position skrupellos
missbrauchte. Zwischen dem König, dem Adel und der Kirche kam es zu Spannungen.
Das widerum führte zu einer sehr antiklerikalen Einstellung des Adels, der
fortwährend für sein Recht und seine Unabhängigkeit von der Kirche kämpfte.
Ab dem 13. Jahrhundert lässt sich eine Veränderung beobachten.
Kritische Störmungen traten auf, riefen zu Reformen und der Rückkehr zur Quelle
des Glaubens bzw. zur Offenbarung Gottes auf. Nicht ohne Bedeutung war auch der
Einfluss der Bettelorden, die das praktische Christentum näher auf das tägliche
Leben übertrugen.
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